Gegen den Strom schwimmen
Nach dem diesjährigen Neckarschwimmen verbrachte ich eine schlaflose Nacht,
da ich trotz Allergie keine Nasenklammer benutzt hatte.
Dabei ging mir eine kurze Diskussion durch den Kopf,
die ich mit dem Veranstalter und einem weiteren Mitschwimmer unter der abschließenden Dusche hatte.
Dabei wurden folgende Fragen aufgeworfen:
Gewinnt oder verliert man durch die Strömung?
Sind das dieselben Verhältnisse wie beim Radfahren am Berg?
Da ich eh' nicht schlafen konnte, weil mir der Neckar immer noch aus der Nase strömte,
habe ich im Geiste folgenden Artikel entworfen, um diese Fragen zu beantworten.
Beim Schwimmen bewegt sich der Athlet im Koordinatensystem des fließenden Wassers. Das heißt, die Geschwindigkeit des Wassers muß zu seiner Eigengeschwindigkeit (je nach Schwimmrichtung) addiert bzw. subtrahiert werden (Vgl. folgendes Bild).
Da Geschwindigkeit = Weg/Zeit (v=s/t), also t=s/v, ist der Zeitgewinn/Verlust nicht proportional zur Geschwindigkeitszunahme/Abnahme (denn v steht im Nenner). Nur wenn die Fließgeschwindigkeit des Wassers klein ist gegen die Schwimmgeschwindigkeit, gilt das näherungsweise. Geht man bis zur quadratischen Näherung, so sieht man, dass man beim Schwimmen gegen den Strom immer etwas mehr verliert, als man beim Schwimmen mit dem Strom wieder gewinnt. Bei einer Schwimmgeschwindigkeit von 3300m/h und einer mittleren Strömungsgeschwindigkeit von 500m/h verliert man auf dem 1km langen Hinweg 3 min und gewinnt auf dem Rückweg nur 2 min. D.h. man hat insgesamt eine Minute verloren.
Der Neckar fließt aber nicht überall gleich schnell. Die Fließgeschwindigkeit ist in der Mitte größer als am Rand und in einer Kurve am inneren Rand geringer als am äußeren Rand (Vgl. folgendes Bild). Es stellt sich die Frage, mit welcher Schwimmlinie man die Strömungsverhältnisse am besten ausnutzt.
Wie man sehen kann, habe ich das intuitiv richtig gemacht. Mit einer Fließgeschwindigkeit von geschätzt 200m/h am Rand und 1400m/h in der Mitte ergibt sich jetzt ein Zeitgewinn von 5 min und ein Verlust von 1 min, also sogar ein Nettogewinn von 4 min gegenüber stehendem Wasser.
Das deckt sich auch gut mit den gemessenen Werten für die Gesamtstrecke von 2 km.
Meine Zeit bis zur Wendeboje war 17:30 min, von der Wende bis zum Ziel 12:30 min.
Wie sieht das denn beim Radfahren am Berg aus? Zunächst mal hat man keine sich überlagernden Geschwindigkeiten, sondern einen Anstieg, in den man zusätzliche Energie reinstecken muss, die man bei der Abfahrt hoffentlich wieder zurück bekommt. Leider ist dem nicht so! (Vgl. folgendes Bild)
Beim Abfahren steigt der Fahrtwiderstand überproportional (mit dem Quadrat der Geschwindigkeit) an. Dazu kommt, dass wegen enger Kurven die möglichen Geschwindigkeiten nicht ausgefahren werden können, sondern gebremst werden muss. Muskelermüdung vom vorherigen Bergauffahren im anaeroben Bereich spielt ebenfalls noch eine Rolle.
Nachdem das geklärt ist, bleibt nur noch die Frage: Wie klebe ich nächstes Jahr meine Nase zu, so dass ich von den Allergieauswirkungen verschont bleibe?
Wolfgang Gruber, Juli 2013, März 2017