Koordinationsübungen
Koordinationsübungen gehören nach meinem Eindruck zu den unbeliebtesten Aufgaben in unserem Schwimmtraining. Das ist sehr schade, weil sie absolut essentiell sind für Verbesserungen im Schwimmen. Vielleicht trägt es zur Akzeptanz bei, wenn man erklären kann, worin der Sinn der Übungen liegt. Ich hoffe, ich kann dafür ein paar Argumente liefern.
Um schnell zu schwimmen reichen motorisch-konditionelle Fähigkeiten nicht aus. Man wird nicht automatisch schneller nur durch mehr Zeit im Wasser und durch größere Umfänge. Koordinative Fähigkeiten sind gerade beim Schwimmen immens wichtig. Auf der anderen Seite können diese aber auch nicht vernünftig geschult werden ohne eine motorisch-konditionelle Grundlage. Beides greift also ineinander und geht nicht ohne das andere.
Man spricht beim Schwimmen oft vom "Wassergefühl". Das Wassergefühl ist auch tatsächlich ein Schlüssel für Verbesserungen im Schwimmen. Allerdings ist es auch ein relativ schwammiger Begriff mit dem nicht jeder etwas anfangen kann. Zum Wassergefühl zählt z.B. die Wahrnehmung von Druck an den Händen, das Gefühl für die richtige Wasserlage und für differenzierte Körperbewegungen: Also wirklich zu spüren, was man da im Wasser tut, Anweisungen umsetzen zu können und eben z.B. bei Kontrastübungen auch tatsächlich unterschiedliche Bewegungsabläufe umsetzen zu können und nicht immer den selben Stiefel runterzuschwimmen.
Koordinationsübungen können diese Bereiche schulen. Das heißt aber auch, dass man durch Koordinationsübungen nicht die unmittelbare Verbesserung eines speziellen Schwimmstils und damit eine direkte Zeitverbesserung erreicht, sondern dass zunächst die Grundvoraussetzungen geschaffen werden, um darauf aufbauend die Schwimmtechnik und die Leistungsfähigkeit zu verbessern.
Koordinationsübungen müssen einen gewissen Schwierigkeitsgrad aufweisen. Sie müssen vom Bewegungsablauf und von der Denkaufgabe her anspruchsvoll sein, damit sie ihren Zweck erfüllen. Auf der anderen Seite dürfen sie die Teilnehmer aber auch nicht überfordern, da sonst ebenfalls das Ziel nicht erreicht wird und die Lust sehr schnell verloren geht. Man kann zum Beispiel bekannte Bewegungsabläufe kombinieren und damit einen neuen Ablauf erfinden oder ungewohnte schwierige Übungen einsetzen. Bei der Ausführung der Übungen gibt es häufig kein eindeutiges RICHTIG oder FALSCH, da es sich nicht um "genormte Bewegungen" handelt. Wichtig ist auch, dass man pro Übungseinheit mehrere verschiedenartige Übungen durchführt.
Es gibt sieben Einzelbereiche bei den koordinativen Fähigkeiten und alle sind für das Schwimmen wichtig (Meinel/Schnabel: Bewegungslehre Sportmotorik):
- Kopplungsfähigkeit: Teilkörperbewegungen aufeinander beziehen und eine Gesamtkörperbewegung erreichen.
- Differenzierungsfähigkeit: Teil- und Gesamtkörperbewegungen in hoher Präzision ausführen, so dass eine Bewegungsökonomie erkennbar wird.
- Orientierungsfähigkeit: Bezogen auf ein definiertes Aktionsfeld/Objekt die Lage des Körpers in Raum und Zeit bestimmen und gezielt verändern können.
- Rhythmisierungsfähigkeit: Einen vorgegebenen Rhythmus reproduzieren und Körperbewegungen aufeinander abstimmen.
- Reaktionsfähigkeit: Die schnelle Einleitung und Ausführung zweckmäßiger motorischer Aktionen auf Signale.
- Umstellungsfähigkeit: Handlungen während des Vollzugs an neue Gegebenheiten anpassen oder die Handlung vollkommen anders weiterführen.
- Gleichgewichtsfähigkeit: Den Körper im Gleichgewicht halten oder nach Körperverlagerungen einen Gleichgewichtszustand wiederherstellen.
Alle Koordinationsübungen lassen sich diesen Bereichen zuordnen. Jede Übung kann dabei mehrere Teilbereiche ansprechen.
- Schwerpunkt Kopplungsfähigkeit: Z.B. Schwimmkombi. Die rechte Körperhälfte macht etwas anderes als die linke Körperhälfte.
- Schwerpunkt Differenzierungsfähigkeit: Z.B. generell Kontrastübungen wie einarmig schwimmen oder schwimmen mit Pullbuoy.
- Schwerpunkt Orientierungsfähigkeit: Z.B. Wasserballkraul, Rollwende.
- Schwerpunkt Rhythmisierungsfähigkeit: Z.B. Schwimmkombi Kraularme, Delfinbeine. Je ein Beinkick beim Eintauchen eines Arms. Oder Schwimmkombi Brustarme, Delfinbeine. Ein Beinkick während Rückführphase der Arme.
- Schwerpunkt Reaktionsfähigkeit: Z.B. Start auf Kommando.
- Schwerpunkt Umstellungsfähigkeit: Z.B. Skulling. Die Handstellung muss ständig angepasst werden, um optimalen Vorschub zu haben. Oder auf Kommando den Schwimmstil ändern.
- Schwerpunkt Gleichgewichtsfähigkeit: Z.B. Badewanne/Tanker, 6/1/6, 3/1/3, Hüftskaten.
Alexander Fink, 18 Sep 2015